Art Das Kunstmagazin, Germany
Armory Show 2009, New York
25 March 2009
EINMAL HAPPY-PILLEN, BITTE!
In New York hat mit der Armory Show und den zahlreichen Satellitenmessen wie Pulse, Scope, Bridge Art Fair, Pool Art, Fountain oder Volta, wieder das alljährliche Kunstmessen-Spektakel begonnen. Diesmal gab es zwar keine ausverkauften Messestände – aber durchaus gute Geschäfte. Das Fazit eines Kunsthändler: "Wir sind an einem Punkt, an dem man sich an die Rezession gewöhnt hat."
CLAUDIA BODIN, NEW YORK
Der eine brauchte ein Mittelchen gegen "wirtschaftlich bedingte Panikattacken", die nächste fragte nach "Happy-Pillen". Kaum eine Arbeit traf den Nerv der diesjährigen Armory-Messe in New York besser als die "Volksboutique Armory Apothecary" von Christine Hill.
Eine Apotheke, in der die in Berlin und New York lebende Künstlerin für preisgünstige 20 Dollar heilende Rezepturen zusammenstellte. So mancher hätte eine Dosis Happy-Macher gebrauchen können: Der Dow Jones war auf ein neues Tief gesackt. Die Aktien der Citigroup, der mächtigsten Bank der USA, abgestürzt. Sotheby's hatte einen Rückgang seiner Verkäufe um 46 Prozent verkündet.
Doch obwohl in der ersten Stunde nach der Eröffnung für VIPs eine beunruhigende Leere herrschte, füllten sich die Gänge kurze Zeit später. Bedeutende Sammler wie Mera and Don Rubell waren gekommen, ebenso wie die übliche Schar an Kunstberatern. Mit Schauspielerin und Regisseurin Sofia Coppola, Ex-Tennisas John McEnroe, der selbst einmal eine Galerie in New York betrieben hat, und Regisseur John Waters zeigte sich auch ein wenig Prominenz. Zwar gab es natürlich wie in alten Zeiten keine ausverkauften Messestände, aber es wurden durchaus Geschäfte gemacht. Und es wurde reserviert. "Wir sind an einem Punkt, an dem man sich an die Rezession gewöhnt hat", meinte der New Yorker Kunsthändler Howard Greenberg, der bei der erweiterten Armory-Messe auf Pier 92 dabei war. "Vor nicht langer Zeit habe ich eine Million verdient. Heute bin ich froh, wenn ich fünf Arbeiten zu niedrigen Preisen verkaufe. Dafür läuft das Geschäft entspannter."
Viele kuratierte Sammel- oder konzentrierte Solo-Shows
Die Galeristen, die es sich leisten konnten, sahen es ähnlich. Man nahm sich mehr Zeit für Gespräche mit Sammlern. Auffällig viele Galeristen präsentieren kuratierte Sammel- oder konzentrierte Solo-Shows und setzten damit mehr auf Gehaltvolles als auf ein Sammelsurium an Verkaufsware. Einen der stärksten Auftritte hatte Hauser & Wirth (Zürich, London) mit den wunderbar rohen Bronzeskulpturen des 89-jährigen Zürcher Künstlers Hans Josephson. Ein Großteil der Arbeiten mit Preisen von 20 000 bis zu 210 000 Dollar waren am ersten Tag verkauft oder reserviert. Bei Paul Kasmin (New York) durfte sich Kenny Scharf mit seinen Comicbuch-Fantasien und Graffitis an den Wänden austoben. Bei der Berliner Galerie Crone waren Zahlenkolumnen und Kalenderblätter von Hanne Darboven zu sehen. Die Leipziger von Eigen+Art, die ja seit Jahren auf Solo-Auftritte setzen, brachten dies Mal Matthias Weischer mit neuen Werken mit. Davon hatten sich immerhin drei, darunter eine große Arbeit für 160 000 Dollar, bereits am ersten Tag verkauft. Der New Yorker Junggalerist Zach Feuer, der sich gerade erst von acht seiner Künstler trennte, um sich gegen die Rezession zu rüsten, fuhr auch auf der Armory mit einem kleinen Stand auf Sparflamme. Die wenigen Arbeiten von Dasha Shishkin (ab 5000 Dollar), die er zeigte, verkauften sich jedoch gut.
"Als ob Galerien ihr Hinterzimmer leer geräumt hätten"
"Der Champagner ist nach wie vor zu teuer, die Preise für die Kunst sind gut", befand ein europäischer Sammler vergnügt an der Bar. Während bei Pace Wildenstein (New York) Süßigkeiten wie "Ring Dings" und "Devil Dogs" verteilt wurden, um die Leute bei Laune zu halten, setzte David Zwirner (New York) lieber auf schwarzen Humor. Er hatte ein Porträt des Wall-Street-Betrügers Bernie Madoff von dem chinesischen Künstler Yan Pei-Ming (für 100 000 Dollar) mitgebracht. Der inzwischen verhasste Madoff ist dafür verantwortlich, dass zahlreiche Sammler bei ihren Anlagen Geld verloren.
So mancher hatte erwartet, dass mehr Galeristen die wirtschaftliche Flaute dazu nützen würden, stärkere Arbeiten zu zeigen, anstatt an Verkäufliches zu denken oder lieber unter dem Radar zu bleiben. "Es wirkt, als ob einige Galerien ihr Hinterzimmer leer geräumt hätten", kommentierte der Künstler Chuck Close bei seinem Messerundgang. Dass die Armory mit dem neuen "Modern"-Flügel auf einem weiteren Pier Zuwachs bekommen hat und die Zahl der teilnehmenden Galeristen damit von 160 auf mehr als 240 aus 55 Ländern gestiegen ist, konnte nicht über das Wegbleiben einiger wichtiger New Yorker Spieler hinwegtäuschen. Es fehlten unter anderem Lehmann Maupin, der deutsche Galerist Friedrich Petzel, Greene Naftali und vor allem Matthew Marks (alle New York), einer der Mitbegründer der Armory vor 15 Jahren.
"Es sitzt eben nicht mehr so locker"
Mit Pulse, Scope, der Bridge Art Fair, Pool Art, Fountain und der Armory-Schwester Volta traten wieder zahlreiche Satellitenmessen an. Obwohl es auf den meisten zum Start ruhig zuging, gab es hier und da immer wieder Erfolgsstories. Bei der Londoner FAS Gallery waren Annie Kevans Porträts (4500 Dollar), die die Geliebten von amerikanischen Präsidenten zeigten, am ersten Tag so gut wie ausverkauft. Ein Sammler hatte sich die elf Liebschaften (und Bilder) von John F. Kennedy schon am Morgen telefonisch reservieren lassen. Die Düsseldorfer Galerie Schuebbe Projects zeigte Malereien von Christian Schoeler, (ab 3200 Dollar), die viele Interessenten fanden. Und bei Pulse fanden Schnäppchen wie die farbigen Gartenzwerge (350 Dollar) der Baltimorer Künstlerin Zoë Charlton reißenden Absatz. Ansonsten war das Geschäft zäh. Am besten fasste Jochen Hempel von der Leipziger Galerie Dogenhaus, der den Brooklyner Künstler John Amrhein bei Volta zeigte, die Stimmung zusammen: "Es sitzt eben nicht mehr so locker." Die Regina Gallery, eines der Pionier-Kunsthäuser aus Moskau und Teilnehmerin auf der Armory, ging ein paar Schritte weiter und verkündete auf einem Neon-Zeichen: "Capitalism Kills". Wir werden sehen.